Trockenmauern

Tja, und wieder beginne ich meinen Monatsbeitrag mit einem Wetterbericht. Was besagt eine Bauernweisheit so treffend: „Der April macht was er will“. Und in diesem Jahr war er besonders wechselhaft und zerstörte mit einem Kälteeinbruch in einer Nacht fast alles, was die überraschend fast sommerlichen Tage im März uns an Blüten und Grün frühzeitig schenkten. Eine Frostnacht mit bis zu 6 Minusgraden lässt Wein- und Obstbauern vor verheerenden Folgen stehen. In meinem Garten waren am Morgen die am Vortag noch strahlenden Blüten an Kirsch- und Apfelbaum braun, die zarten aber saftig grünen Triebe von Wein und Feige verdorben und meine Kletterhortensie verlor ihre gerade so vielversprechenden Knospen.


Mich macht es traurig, aber für die Menschen, deren Existenz von den Ernteerträgen abhängt, sind die Schäden folgenreicher, und man kann ihnen nur wünschen, dass sie sich von diesem Tiefschlag erholen können. Den Wetterkapriolen zum Trotz geht das Wachsen und Gedeihen in den Weinbergen, Wiesen und Feldern ansonsten seinen alljährlichen Gang, verändert sich rasend schnell und auf meinen Spaziergängen muss ich immer wieder feststellen, wie die Zeit, als trüge sie Siebenmeilenstiefel, dahinfliegt: Der Löwenzahn schickt inzwischen schon seine weißen Feen-Schaukeln schwebend in den Himmel, und die Butterblumen sind ein ebenbürtiger Ersatz für sein einstig leuchtendes Gelb.


Der erste rote Klatschmohn, der aus den Spalten der Trockenmauern sprießt, gibt ein fantastisches Fotomotiv vor dem alten Gestein, ägäisblaue Kornblumen erfreuen mein Herz, und der dunkelrosa blühende saftige Klee setzt fröhliche Punkte auf das satte Wiesengrün. Die Tulpen in den Gärten verlieren nach und nach bereits ihre Blätter, aber der Flieder mit seinem süßen schweren Duft leuchtet schon in rosa, weiß und lila üppig an Wegen und Straßen. Ja, Spaziergänge durch die Natur bringen Überraschungen auf Schritt und Tritt, und wie ich schon erzählte, liebe ich die Wanderungen in den Weinbergen.


Was mich neben der Flora-Mannigfaltigkeit dabei immer wieder begeistert, sind die angelegten historischen Naturstein-Trockenmauern, die hier den Charakter der Rebhänge bestimmen, wie in Griechenland den der Olivenhaine. Den Namen tragen die handwerklichen Meisterwerke, weil sie ohne Mörtel – also trocken – Stein für Stein aufgesetzt werden. Nicht nur, dass sie sich malerisch in die Natur einfügen und die traditionelle Kulturlandschaft erhalten, ihre Ritzen schenken Pflanzen, Eidechsen, Vögeln und Insekten kostbaren Lebensraum. Rechtsrheinisch legen Winzer seit dem Mittelalter ihre am Hang gelegenen Weinberge mit Hilfe von Trockenmauern terrassenförmig an, linksrheinisch lässt sich diese Bauweise bis ins 4. Jahrhundert nach Christus
zurückverfolgen.


Als Material dienen witterungsbeständige Natursteine, wie Grauwacke, Kalksandstein, Lava, Basaltlava, etc. Normalerweise hält eine fachmännisch aufgesetzte Natursteinmauer recht lange, aber dafür ist es auch erforderlich, sie immer wieder zu kontrollieren und zu pflegen. Dadurch, dass ein Hang Druck ausüben oder Wasser in die Hohlräume gelangen, gefrieren und sich ausdehnen kann, können sich Steine lockern und herausbrechen. Man kann also die Mauer nicht sich selbst überlassen, muss aufpassen und ausbessern, eh das Mauerwerk zusammenbricht.


Obwohl ein solch beeindruckendes Element auch Arbeit bedeutet, entschließen sich immer mehr Menschen heutzutage wieder, ihrem Garten mit einer Trockenmauer das gewisse Etwas zu verleihen. Um die Standfestigkeit einer selbst aufgesetzten Mauer zu gewährleisten, kann man sich Rat und Hilfe im Internet holen. Bauanleitungen, Fachartikel und Informationen zum Material gibt es dort mehr als genug. Also, ich könnte es nicht. Mir fehlt das nötige Geschick und ein gutes Auge, um die richtigen Steine harmonisch aufeinanderzuschichten. So war ich recht glücklich, dass in unserem Garten schon diese Ruhe ausstrahlenden lebendigen Mauern vorhanden waren.


Sie machen mir viel Freude, besonders jetzt im Frühjahr, wenn Phlox, Steinbrech, Blaukissen, Seifenkraut sie zu einer farbenprächtigen Augenweide machen. Aber ich sehe auch, dass es hier und da zwischen dem Gestein bröselt, es teilweise völlig bemoost ist und weiß, was ich in der nächsten Zeit zu tun habe. Möge Petrus und der Sonne Schein mich dabei unterstützen...

Einen sonnigen Wonnemonat Mai wünscht
die R(h)eingeschmeckte im launischen April




(C) 2017 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken