"Wir vom Rhein"

Nein, das wollte ich nicht! Zugegeben, klar habe ich mir bei der extremen Hitze mehr als einmal gewünscht (es auch laut ausgesprochen), dass es ZACK Herbst sein sollte, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass ich wohl einen Wunsch bei einer Fee frei hatte…sie ist mir nicht erschienen oder hat es mir anderswie zugetragen, denn hätte sie mich gefragt, dann wäre meine Wahl garantiert auf was anderes gefallen.


Tja, und nun war er also plötzlich und unerwartet da der Herbst und das im Juli, der sich bis in seine Mitte sowieso schon als ein Monat der Wetterextreme entpuppte: Hitze, schwere Gewitter, Dauerregen, Starkregen, Sturm, Hagel und Schneefall, also alles dabei von zauberhaft bis nicht auszuhalten. Der morgendliche Blick aus dem Fenster zeigte mir Nebel, der aus den Wäldern stieg und das Dorf einhüllte…Herbstliche Stimmung, herbstliche Gradzahlen und der Ferienmonat ist buchstäblich ins Wasser gefallen. Regen- statt Sonnenschirme, und in unserer Eisdiele hing das Schild "Wegen Herbst geschlossen".


Was gibt es schöneres, als sich an kühlen Regentagen, wenn der Wind ums Haus pfeift, in eine warme Decke zu kuscheln und die Nase in ein gutes Buch zu stecken? Da kam es doch gerade richtig, dass ein Herzensmensch mit einem solchen Geburtstagsgeschenk bei mir mitten ins Schwarze getroffen hat (nochmals DANKE Nadine) und viel mehr noch, denn ich kann Ihnen damit an dieser Stelle einen Ausflugstipp der anderen Art geben, nämlich lesend in eine vergangene Zeit reisen!


"Wir vom Rhein" beginnt im Jahr 1779 in "meinem" Bacharach und ist ein Generationsroman, basierend auf der Familiengeschichte der Autorin, Birgit Wessels. Es ist kein trockenes Werk, sondern bringt dem Leser in unterhaltender Form die Geschichte des Städtchens nah. Es lebt von dem intensiv recherchierten und anschaulich erzählten Alltag der Vorfahren hier am Rhein. Ja, man kann sagen, Frau Wessels hat ihrer Heimat mit viel Herzblut ein literarisches Denkmal gesetzt und dies, weil, wie sie mir schrieb, es ihr Wunsch ist, dass die Erinnerungen an das Leben von einst erhalten bleiben.


Bacharach hat viel mitgemacht im Laufe der Jahrhunderte, und so ist aus der besonderen Geschichte des Dorfes ein besonderes Buch geworden, das Geschichte festhält, durch wissenswerte Geschichten, die die Autorin von ihrer Familie erzählt, und zwar über Jahrhunderte bis in die Gegenwart. Frau Wessels nimmt uns mit in Zeiten, die längst vergangen sind und doch das Leben in Bacharach und den umliegenden Gemeinden bestimmen.


Sie werden, so wie ich auch, nach Lesen des Buches, sicherlich auch spüren, dass das Leben von einst ganz nah ist, wenn sie nun durch die Gassen spazieren, vorbei an den Schauplätzen des Buches und den noch erhaltenen historischen Gebäuden, die mir jetzt zuraunen: „Na, weißt du noch als….“ Ja, ich weiß jetzt mehr, wenn ich durch Steeg laufe, oder nach Manubach oder am Rheinufer sitze oder die Eisenbahn vorbeirauschen höre. Ja, Bacharach hat für mich nach Rückkehr von meiner Reise durch die Jahrhunderte einen weiteren Zauber bekommen, und Posthof, Peterskirche, die Brunnen der Stadt, die Weinberge, den Weg nach und durch Steeg, die Stadttore, die Arbeit der Winzer, die Wetterkapriolen, den Rhein und so vieles mehr sehe ich heute in einem anderen Licht. Es sind Impression und Zeitzeugen, die Bilder in meinem Kopf entstehen lassen. Bilder von den Dorfbewohnern, insbesondere der Familie König, ihrem schweren Alltagsleben, ihren Schicksalsschlägen aber auch ihren vielen Glücksmomenten hier am Rhein.


Frau Wessels hat in dem Buch den Stammbaum ihrer Familie aufgeführt. Seine Familiengeschichte zu veröffentlichen ist schon was sehr Persönliches und ich sage Danke dafür. Was muss das für ein großartiges stolzes Gefühl sein, seine Familie und damit ja auch seinen Platz über Generationen zurückverfolgen zu können und dann auch noch in dem Fachwerkhaus zu wohnen, dass seit über 200 Jahren in Familienbesitz ist und in dem schon der Ururgroßvater lebte und den Garten bewirtschaftete? Was gibt es noch für Erinnerungsschätze aus der alten Zeit außer dem Apfelbaum, der seit mehr als 100 Jahren Jahr für Jahr wohlschmeckende gelbe Früchte trägt? Fotos? Ein Stuhl auf dem schon der Ururgroßvater saß? Eine alte Blumentasse, mit abgebrochenen Henkel, die wie ein Goldschatz bewahrt wird? Eine verschnörkelte Zuckerdose, in der der Notgroschen gespart wurde? Lach in unserer Küche, in unserem Fachwerkhaus, stehen unzählige solcher Kleinode aus längst vergangener Zeit, nicht alle aus dem Familiengut, sondern mit Leidenschaft auf Flohmärkten eingesammelt, um das Alte zu bewahren.


Also, dass ich das Buch hier vorstelle, ist einmal, weil ich diesen Lesegenuss wie sonst meine monatlichen Erlebnisse und Eindrücke mit Ihnen teilen möchte und aber auch, weil ich Frau Wessels bei ihrem Wunsch unterstützen möchte, die Erinnerungen an das Leben von einst zu erhalten. Bacharach und seine Umgebung, also das Vierthälergebiet mit den Orten Manubach, Steeg und Oberdiebach hat eine dermaßen geschichtsträchtige Vergangenheit, die es zu bewahren gilt. Na, und da ich mal gerade dabei bin, meinen Beitrag dafür zu leisten, habe ich noch einen obendrauf gesetzt und bin dem "Verein für die Geschichte der Stadt Bacharach und der Vierthäler e.V." beigetreten. Googeln Sie mal, vielleicht möchten Sie ja auch den Einsatz der
Geschichtsfreunde würdigen.


Aber erst einmal wünsche ich Ihnen eine gute interessante Lesereise an den Rhein von einst, ob unter einer kuscheligen Decke, oder im Liegestuhl sonnenverwöhnt….wo und wie auch immer!
Ihre R(h)eingeschmeckte
im herbstlichen Juli 2025


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