Das Jahr 2019 ist vorbei, und auch der erste Monat eines neuen Jahrzehnts ist Geschichte. Der Januar ist benannt nach dem altrömischen Gott Janus, der Gott des Anfangs und des Endes, der mit den zwei Gesichtern, von denen eines in die Zukunft blickt und das andere in die Vergangenheit. Lassen Sie uns das auch mal bezogen aufs Wetter machen:

Das vergangene Jahr hat alle Wetterrekorde gebrochen. Hitze und Trockenheit haben den Sommer in Rheinland-Pfalz geprägt, und auch, wenn es zuletzt ziemlich oft geregnet hat, war es zwischen Januar und Juni noch trockener als 2018, womit, laut Wetterdienst, das Dürreproblem anhält.

Im Januar letzten Jahres, gab es Schnee, Eis und klirrende Kälte, im diesjährigen an manchen Tagen strahlendblauen Himmel, Sonnenschein und um die 15 Grad. Frühlingsgefühle konnten vorverlegt werden, die filigranen zauberhaften Schneeglöckchen blühten einen Monat früher, unser Nachbar Eugen hat bereits seinen ersten Motorradtrip machen können, und wo vor einem Jahr in der Natur noch kniehoch Schnee lag, ist es grün und die Knospen treiben.
Den letzten so warmen Winter gab es 2006/2007.

Tja, und der Blick in die Zukunft wirft bange Fragen auf, verfolgt man die Medien. Klimawandel eine fast tägliche Schlagzeile, dazu Kriege allüberall, und nun auch noch ein Virus namens Corona. 25.800 Menschen sind 2017/2018 an der Grippe in Deutschland gestorben…Grausam..und nun ist zu hoffen und zu beten, dass diese Zahl nicht im mindesten durch beide Viren erreicht wird.

Mein Ausflug für den ersten Beitrag auf dieser Seite führte mich also nicht ohne Grund in ein Haus GOTTES und die Entscheidung die „Kräuterkirche“ im Binger Stadtteil Gaulsheim zu besuchen, war so was von gut, denn sie ist einfach nur wunderschön. Die Kirche Sankt Pankratius und Sankt Bonifatius auf der Mainzer Straße hat es mit dem Namen „Kräuterkirche“ zu großer Bekanntheit weit über die Stadtgrenzen hinaus gebracht, weil sie mit ihren floralen Deckenmalereien beeindruckt. Es ist aber auch so zauberhaft, wie da am Kirchenhimmel die 50 Heil- und Nutzpflanzen blühen.

Kamille, Schafgabe, Klatschmohn, Liebstöckel (hört sich besser an, als Maggikraut, oder?), Löwenmaul, der inzwischen in unserer hektischen Zeit so unverzichtbar gewordene Baldrian und das Johanniskraut, sowie das Tausendgüldenkraut (welch märchenhafter Name) und viele andere Pflanzen zieren kunstvoll das Kirchengewölbe. Jahrhunderte lang bereicherten all diese Gewächse unsere Speisezettel und Hausapotheken. Die heilige Hildegard von Bingen schrieb ihnen schon heilende Wirkung zu, und noch heute profitieren wir von ihrem Wissen und nicht nur von ihrem, sondern Fakt ist, dass vor langer Zeit, noch bevor überhaut die Schrift erfunden war, Menschen aus wilden Pflanzen Speisen und Arzneien herstellten. Das erste Rezept für die Zubereitung von Heilpflanzen ist um 2000 vor Christus (!!) entstanden und stammt aus der Stadt Babylon. Nicht zu vergessen, dass die alten Griechen und Ägypter über ein sehr beachtliches Wissen hinsichtlich
Kräuter und Wildgewächse verfügten.

Auch der Wermut ist in der „Kräuterkirche“ verewigt und der wurde schon im alten Testament erwähnt. Hildegard von Bingen bezeichnete ihn als „Meister gegen alle Erschöpfungen“, Appetitanreger, Durchblutungsförderer, Wehentreiber bei Geburten, u.v.m., aber Vorsicht! Die Meinung, dass Wermut nie schaden könne, ist falsch! Zu hohe Dosierung oder Langzeitanwendung kann die Sinne verwirren, denken Sie nur an Vincent van Gogh, der dem Absinth zusprach, hergestellt eben aus Wermut, Fenchel und Anis…..ups, ich muss stoppen, denn Thema ist nicht die Heilkunde und auch nicht die Kräuter, sondern die Kirche..pffff, und das obwohl eine jede Pflanzenabbildung eine Geschichte hat, die ich zu erzählen wüsste.

Also, die Kirche: Ihre Ursprünge reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Der romanische Turm, der inzwischen eine barocke Haube trägt, ist aus dieser Zeit, der Zeit der Hildegard von Bingen. Die heutige Kirche ist im Jahr 1899 im neugotischen Stil erbaut worden, und lange gab es keine Kräutergemälde an der Decke. Erst in den 70er Jahren, als eine Renovierung anstand, entschieden der damalige Pfarrer Laick und der Pfarrgemeinderat eine alte Tradition zum Thema der Deckenmalerei zu machen, und zwar die des Weihbüschels. Dieser Weihbüschel ist ein Strauß aus Kräutern, Wurzeln und Blumen, der anlässlich des Brauchs der Kräuterweihe zu Mariä Himmelfahrt gebunden, in der Kirche feierlich gesegnet und dann daheim zum Schutz vor Blitz und
Hagel aufbewahrt wird.

Also, ich bin hin und weg von der Idee, anstatt der sonstigen üblichen Heiligen, Pflanzen an die Kirchendecke zu malen, und damit irgendwie GOTT mal für seine großartige Schöpfung Danke zu sagen. Ach ja, es liegt schon nahe, dass sich die „Kräuterkirche“ auch am Projekt „Essbare Stadt“ in Bingen beteiligt. Hinter der Kirche gibt es eine Wildwiese und einen kleinen Kräutergarten mit Hochbeeten. Die Kirche ist für gewöhnlich tagsüber geöffnet und kann somit immer besichtigt werden. Für eine Führung können Sie sich unter anfrage@kraeuterkirche.de anmelden.

Eines noch: Wenn Sie schon mal in Gaulsheim sind, mein Tipp an Sie: Machen Sie doch noch einen Spaziergang, denn die „Kräuterkirche“ steht ganz in der Nähe zu den Rheinauen, eines der bedeutendsten Natur- und Vogelschutzgebiete Deutschlands. Ein Paradies für Zugvögel und die Heimat vieler Kräuter erwartet Sie!

So, das war mein erster Beitrag in diesem Jahr. Von Herzen wünsche ich Ihnen einen guten und gesunden Start in das neue Jahrzehnt.

Ihre R(h)eingeschmeckte
im frühlingshaften Januar 2020