Spaziert man durch die Altstadt von Bingen, so fällt der einstige „Haferkasten“ am Freidhof sofort ins Auge. Nach langer Bauzeit ist das historische Gebäude aus dem Jahr 1689 seit 1996 neue Heimat des Stefan-George-Museums geworden. Nach Auszug aus der Burg Klopp ein weiteres beeindruckendes Domizil, das, als ansehnliches Fachwerkhaus mitten in der Stadt gelegen, vielleicht doch den ein und anderen Besucher mehr verlockt, einfach mal über die Schwelle zu treten und sich über den im Stadtteil Büdesheim im Juli 1868 geborenen Dichter zu informieren.
Ich muss gestehen, dass mir Stefan George schon ein Begriff war, mich aber die wenigen Gedichte, die mehr zufällig mein Lesegut wurden, nicht angesprochen haben. Jetzt, nachdem ich nun in seiner Heimatstadt lebe, wollte ich Herrn George noch eine Chance geben und heute bin ich sehr froh darüber, denn das was er über Bingen, seine heimatliche Landschaft an Nahe und Rhein, seine Gänge durch die Gassen und Begegnungen mit Mitbürgern in Versen ausdrückt, berührt mich und lässt lebendige schöne Bilder in meinem Kopf entstehen. Tja, das hätte ich nicht gedacht von einem Menschen, dessen Aura mir zunächst nur düster erschien.
Aber ich möchte hier nicht laienhaft über Stefan George schreiben, sondern den Platz hier nutzen, um Sie zu einem Besuch seiner Gedenkstätte anzuregen, zumal es ja neben dem „Museum am Strom“, in dem Hildegard von Bingen im Mittelpunkt steht, das einzige Museum der Stadt ist.
Das Haus macht es Ihnen leicht: Das zauberhafte Fachwerkhaus zieht magisch an, der Eintritt ist frei, der erste Blick beim Hereinkommen fällt auf ein faszinierendes glasmalerisch gestaltetes Fenster mit George-Porträt, informativ gut gestaltete Vitrinen geben Auskunft über sein Leben, auch Kleidung und sein Schreibpult sind neben seinen Büchern ausgestellt.
Man wird Sie willkommen heißen, und Sie werden, wie ich es auch erfahren durfte, spüren, wie sehr man sich über Ihren Besuch freut. Betreut wird das Museum von der „Stefan-George-Gesellschaft“. Als ich das 1. Mal dort war, durfte ich auf Herrn Dr. Rudolf Wohlleben treffen, der mir locker, unterhaltsam und mit riesigem Fachwissen den Dichter aber auch schwierigen Menschen Stefan George etwas näher gebracht hat. Als die informative kurzweilige Reise dann vorbei war, erfuhr ich, dass mein Begleiter neben zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen auch 5 Fachbücher verfasst hat, von dem ich eines nur zu gern gleich Vorort erwarb und zur Erinnerung an diesen lehrreichen Nachmittag von ihm signieren ließ. Sollte der Funke überspringen, empfehle ich es auch Ihnen: „Stefan George - Spurensuche für Liebhaber und Lernende“.
Bei meinem 2. Besuch öffnete Frau Müller-Reusch gerade die Türen, und gerne schenkte auch sie mir ihre Zeit, beantwortete mir jede Frage, und ich konnte mit ihr über mein Hadern mit George sprechen, was die ihm nachgesagte (auch ausgelebte?) pädophile Neigung betraf. Ihre weise Entgegnung? Nun, dass es gilt, zwischen Mensch und Werk zu trennen. Seine Neigungen sagen nichts über seine Arbeit, seine Wortkunst und seine Wirkung aus. Recht hat sie!
Damit Sie Ihren Besuch planen können, noch die Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag und Samstag 14 – 17 Uhr.
Viel Freude dabei
wünscht die „R(h)eingeschmeckte“ im März 2014